Zu schnell zufrieden?

Ich schaue mir gerade Joe McNally neuste DVD „The Language of Light“ an (Review gibt’s nächste Woche – und danke an Jeriko für’s Mitbringen aus NYC). Im Bonusmaterial führt er ein Interview mit seinem langjährigen Mentor John Loengard. Dieser führt an einer Stelle (sinngemäß) aus:

Das Problem heutiger Fotografen ist das Display. Sie machen ein Foto, schauen auf das Display und sind mit dem Ergebnis zufrieden. Das war früher bei der Verwendung von Film, als Du erst Tage später wusstest, ob ein brauchbares Foto dabei ist, anders – du hast damals weiterfotografiert, auch wenn du dir sicher warst, dass ein gutes Bild dabei ist. Heute sind wir zu schnell zufrieden.

Ich finde dieses Statement bemerkenswert, weil es die hilfreiche Erfindung des Kontrolldisplays bei digitalen Spiegelreflexkameras aus einer anderen Betrachtungsweise sieht. Nicht aus technischer Sicht, sondern aus psychologischer.

Und ich muss sagen, dass er recht hat. Auch ich habe mich schon einmal zu viel dabei ertappt, erst hinterher am großen Monitor des heimischen Rechners ein Detail zu entdecken, dass ich beim Fotografieren hätte besser machen können. Jetzt weiß ich wenigstens, warum mir dieser Fehler unterlaufen ist.

  1. Das kann ich selbst nicht so sehr nachvollziehen.
    Ich sage das Folgende erst einmal aus Artdirektoren-Sicht. Ich arbeite nur mit Fotografen, die gerade nicht schnell zufrieden sind. Im Gegenteil. Und natürlich arbeiten alle mit Kontrollbildschirm bei den Shootings. Anders ist es ja überhaupt nicht zu beurteilen.
    Zuerst kommt die Pflicht, dann die Kür. Und bei den Kür-Fotos sind meist die besten dabei.
    Anders gesagt, jeder Fotograf, der professionelle Arbeit abliefern will, verlässt sich doch wohl nicht auf das Display??? Das schockt mich gerade. Aber vielleicht kommt es ja auf das Einsatzgebiet an.

    Ich selbst brauchte genau 1 Shooting, um das selbst heraus zu finden. Danach war der Kontrollbildschirm bei Jobs immer dabei. Aus Fehlern lernt man eben. Oder auch nicht. :o)

    1. @Tanja,
      Auf das Minidisplay kann man sich nicht verlassen. Man sieht einfach nicht alles. Aber ich vermute, dass Du eine andere Art Kontrollbildschirm meinst. Der große Monitor im Studio zur Beurteilung der Aufnahme im Beisein der Artdirektorin macht natürlich viel Sinn. Da kann man kleinste Details sehen und ausarbeiten.

      Ich denke aber, dass Stefan sich nur auf den Vorschaumonitor der Kamera bezieht. Und ganz ehrlich: wenn ein Fotograf einem Artdirektor sein Ergebnis auf dem Kameramonitor zeigt, dann hat er wohl irgendwas falsch verstanden.

      1. @Teatime, ja klar meine ich einen großen Kontrollbildschirm. Vielleicht habe ich das Problem noch nicht ganz erfasst.
        Ich versuche es noch einmal. Hm … ich kenne keinen professionellen Fotografen, der sich auf das kleine Kameradisplay verlässt. Weder im Studio noch bei Außenaufnahmen.
        Und ich habe festgestellt, dass (meine) Fotografen, digital nicht anders an das Bild herangehen als vorher analog. Denn diese Zeit habe ich ja auch begleitet.
        Ich selber schaue nur noch selten auf das Display (hier jetzt zum „just for fun“ knipsen), da es ja höchstens den richtigen Bildausschnitt zeigen kann.
        Und deinen letzten Satz lasse ich jetzt mal so stehen … *grins*

  2. Pingback: Roman Schlaepfer
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  4. Das Zitat könnte auch von mir sein. 😉

    Ich empfehle bei Workshops den Teilnehmern, mal bei einer Fotoaufgabe ganz bewusst auf den Blick auf das Display zu verzichten. Nur so macht man sich mehr Gedanken um das eigentliche Bild und verlässt sich nicht nur auf das kleine Dia in der Vorschau.

  5. Diffizil 😉 Grundsätzlich gehöre ich zu denen, die ‚immer noch‘ weitermachen, auch wenn der Kopf weiss, dass ein Treffer (entsprechend den eigenen Vorstellungen oder im Sinne der Produktion) mit dabei ist. Eine andere Pose, eine andere Perspektive ; irgendwas kann in der Regel noch herausgekitzelt werden 😉 Unabhängig davon, ob nun ein Kontrollmonitor mit dabei ist (bei grosssen Produktionnen immer, bei ‚Guerilla‘ meistens aus Praktikabilitätsgründen nicht) nutze ich das Kameradisplay eigentlich nur, um flott Belichtung und Schärfe zu prüfen ; die endgültige Auswahl erfolgt immer erst am ‚grossen‘ Bildschirm … Und ich gehe mit Tanja d’accord ; die besten Bilder entstehen in der Regel während der ‚Kür‘, wenn jeder weiss, dass das Pflichtprogramm abgearbeitet ist.

    Betrachte ich mir aber die täglichen Heerscharen der Fotografen hier auf der Strasse, dann ist Leongard durchaus zuzustimmen : Ein Klick, ein Blick auf das Mäusekino namens Kameramonitor und weiter gehts zum nächsten ‚Motiv‘ …

    Gruss,
    H

  6. Kann ich aus Hobby-Fotografensicht auch nicht nachvollziehen..

    Trotz Display neigt man (oder zumindest ich) doch heute eher dazu, MEHR Fotos zu machen als WENIGER. Und gerade das wurde doch seit Beginn der Digital-Fotografie immer kritisiert.. Jetzt anders herum, die Digitalos wären zu früh zufrieden??

    Zu Analog-Zeiten war die Anzahl der Bilder pro Motiv DEUTLICH weniger, meiner Meinung nach… Zumindest für uns Amateure war ja immer auch dieser Kostenfaktor, und nicht jeder hatte Lust wie ne besengte Sau die 36er Filmrollen zu wechseln weil er pro Motiv eine hätte durchballern können…

    Dieser Aspekt mit den „Blick aufs Display führt zum zu-früh-zufrieden-Effekt“ kann ich insofern so nicht nachvollziehen…

  7. Nicht das Display (zumindestens bei mir) sondern eher das RAW Format und Photoshop sind bei manchen doch die Krücken.

    Sobald man das im Hinterkopf hat, das man aus dem RAW noch einiges Raus-Quetschen kann und dann mit Photoshop noch die eigenen Fehler beheben kann, beginnt man ungenau zu arbeiten.
    Ah das geht schon, das mach ich dann zu Hause…

    Das Display selbst, ist bei mir nur zur Kontrolle der Bildkomposition und zur Kontrolle des Histogramm da.

  8. Ich finde das Display nützlich um einige Grundsätzliche Dinge des Bildes zu beurteilen.
    Sind wir ehrlich, es ist uns doch allen schon mal passiert das wir einen wichtigen Punkt in der Hektik vergessen haben, umstellen des Weissabgleich, falsche ISO Werte, Belichtung nicht optimal eingemessen usw.
    Dafür ist so ein Display ganz ok, halt für den kurzen Checkup.

    Zufrieden bin ich mit meinen Ergebnisse ehh immer nur sehr kurzfristig. Spätestens nach ein paar Tagen fallen mir Dinge ein welche ich beim nächsten mal besser, optimaler machen möchte.
    Und finde ich auch ganz ok, den dadurch habe ich Raum zur weiterentwicklung.

  9. Zwar kenne auch ich die Situation, daß ich bei manchem Bild nach einem Blick auf das Display dachte, ich hätte ein gelungenes dabei, was sich dann später eben nicht als solches herausstellte, doch aus Prinzip versuche ich immer mehrere Aufnahmen zu machen, auch aus Sicherheit, denn im Detail kann man das in klein ja nie wirklich erkennen.

    Im Vergleich zu früher habe ich definitiv mehr Aufnahmen, da hat die Digitalphotographie ein Ansteigen an Bildmaterial gebracht.

    Trotzdem bleibt das Risiko gerade bei Aufnahmen, bei denen man nur wenig Gelegenheit zur Wiederholung hat oder erhält, daß man sich bei dem Ergebnis verschätzt. Weswegen ich auf Festivals bei Besucherbildern auch nur ungern das Display-Ergebnis wie andere Photographen vorzeige, weil man eben nicht weiß, wie das Bild in Wirklichkeit ausschaut.

  10. Nun, in den bisherigen Kommentaren ist echt was Wahres zu finden. Vollkommen richtig:

    – wir fotografieren eher zu viel (also wir Amateure, nicht Ihr Professionelle)
    – der Monitor sollte eher nur dazu dienen, Grundsätzliches zu überprüfen

    Bliebe also eigentlich folgende Vorgehensweise (die ich selber nicht verfolge – heute wird das geändert): Erst ein Bild mir anschließender Kontrolle ob die Einstellungen stimmen und anschließend BEWUSST abdrücken, nicht abfeuern.

    Zum Glück konnte ich in der letzten Zeit das Löschen erlernen.

  11. Pingback: Thilli Milli
  12. Hm, vielleicht spalten sich hier wirklich die Vorgehensweisen der Profis und der Amateure. Ich (Amateur und aus der analogen Spiegelreflexfotografie kommend) bin begeistert, daß ich nunmehr quasi endlos knipsen kann und nicht den Preis der Entwicklung und die Anzahl der noch verfügbaren Bilder im Hinterkopf haben muss. Ich knipse lieber dreimal mehr als zu wenig. Und da ich von LiveView Modus Kopfweh kriege, ohne Lesebrille auf diesem Mäusekino eh nichts erkennen kann und außerdem immer auf den Akku schiele und Energie sparen will), ist dieses Feature bei mir auch standardmässig ausgeschaltet, so daß die Gefahr des zu schnell zufrieden seins gar nicht erst aufkommt.

  13. Ich wünsch mir im Gegenteil einen viel größeren Vorschaumonitor!!

    Am besten wurden die Fotos, wenn ich mir die Mühe machte ein Notebook mitzunehmen und tethered zu fotografieren: Selbst auf mickerigen 13″ sehe ich deutlich mehr „Fehler“ im Bild, die besser sein könnten.
    Oder zumindest die Bilder in den Shootingpausen mal auf einem Notebook ansah.

    Ich überlege noch, ob ein IKAN oder Lilliput LCD-Schirm mit HDMI-Eingang das Notebook für die Bildkontrolle ersetzen kann. Wünschenswert wäre es jedenfalls.

    Ansonsten ärgere ich mich immer nach den Shootings, wenn ich in Ruhe und ohne Zeitdruck die Bilder sichte und merke: „verdammt, das hätte ich besser machen können, das hab ich vor Ort nicht gesehen, und daran hab ich auch nicht gedacht“.

    Zufrieden bin ich höchst selten.

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