Auf dem Friedhof Auf dem Friedhof

Verantwortung und Würde

Gestern erwies ich meinem Großvater die letzte Ehre. Am Ende eines schönen langen Lebens schlief er vorletzte Woche mit einem Lächeln auf den Lippen bei seiner Lieblingssendung im Fernsehen auf der Couch ein und wachte einfach nicht mehr auf. So möchte ich – in hoffentlich vielen Jahren – auch sterben. Ohne Schmerzen, ohne Maschinen, zufrieden zurückblickend …

Gestern war die Beerdigung. Bei dieser Zusammenkunft fiel mir auf, wie klein die Familie geworden ist. Mein Großvater hatte 6 Geschwister, nur zwei Leben noch. Meine Mutter zeigte Bilder, die sie im Schrank meines Opas gefunden hatte und die die Erinnerungen an seine Brüder und Schwestern zurückholte. Alte schwarzweiß Aufnahmen.

Das verdeutlichte mir plötzlich wieder, welch wichtigen Auftrag wir als Menschen mit der Gabe, Fotoapparate bedienen zu können, wirklich haben: Erinnerungen festhalten. Und besonders als jemand der Personen ablichtet, sollten wir jederzeit bedenken, dass wir mit einem Klick später verblasste Erinnerungsstücke an liebe Individuen für kurze Augenblicke lebendig werden lassen. Daraus erwächst uns Menschenfotografen eine besondere Verantwortung.

In vielen Jahren bleibt von uns nichts übrig außer Versatzstücken im Gedächtnis unserer Familien und Freunde – und vielleicht etwas billiges Papier mit unserem Konterfei. In einer Zeit, in der schon ein Facebook Eintrag von gestern oder der Tweet von vor einer Stunde selten noch Beachtung findet, wird das schnell vergessen.

Umso wichtiger finde ich es, meinem Vis-à-vis mit meiner Kamera verantwortungs- und würdevoll gegenüberzutreten. Auch bei einem Schnappschuss. Eventuell ist diese Fotografie die Letzte und holt bei einer Trauerfeier die wunderschönen gemeinsamen Erlebnisse in das Gedächtnis der Hinterbliebenen zurück.

Die oben erwähnten Aufnahmen aus dem Schrank, die meine Mutter fand, waren übrigens meine. Ich hatte sie vor vielen Jahren bei einer Familienfeier gemacht. Natürlich nur Schnappschüsse. Wahrlich keine Meisterwerke, aber ich muss mich ihrer nicht schämen. Und das hat mich erleichtert.

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  2. Mein herzliches Beileid, Stefan.

    Erst vor kurzem habe ich mit jemanden darüber diskutiert, ob sich die Fotografie mit der Vergänglichkeit oder mit dem Festhalten der Dinge beschäftigt. Es ist wohl ein Mix aus beidem, wenn man auf die Fotos seiner Lieben zurückblickt, in Erinnerungen schwelgt, traurig und glücklich zugleich ist. Gut, dass Du oft die Kamera dabei hast. Meine fehlt auch auf keiner Familienfeier. Wer braucht da auch schon Meisterstücke, wenn Gesichter so viel mehr sagen.

  3. Mein herzliches Beileid Stefan. Auch ich musste mich dieses
    Jahr von meinem Großvater verabschieden. Leider war es für ihn
    nicht ganz so friedlich aber ich muss sagen er hat das beste aus
    der Situation gemacht, wofür ich ihm sehr viel Respekt zolle. für
    mich waren das auch Tage in denen man viel zum nachdenken kommt.
    Ich teile deine Ansichten da voll und ganz. Es gibt fast nichts
    wichtigeres als Fotos um die Erinnerung wach zu halten. Daher ist
    es, gerade heute in unserer digitalen Welt auch immer noch wichtig
    solche auszubelichten und vor allem mit der Familie und Freunden zu
    teilen. >Natürlich nur Schnappschüsse. >Wahrlich
    keine Meisterwerke, aber ich muss mich ihrer nicht schämen. Warum
    auch, bei Schnappschüssen auf Familienbildern zählt erst mal der
    Moment, das ist das Wichtigste. Wenn man dann mit dem Foto etwas
    verbinden kann und sich erinnert, dann ist es ein Volltreffer, auch
    ohne tolle Komposition, Schärfe etc. etc.

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  8. Mein ehrliches Beileid.

    Es ist wirklich so. Mit Fotos hält man Erinnerungen fest. Selbst Schnappschüsse bringen einen nach Jahren wieder zurück zu Menschen, die man lieb gewonnen hat!

  9. Mein Beileid Stefan, einen lieben Menschen zu verlieren ist immer schwer.

    Die Erinnerungen zu wahren ist auch ein Grund warum ich mich immer mehr dem Fotografieren von Menschen zu wende, diese Erinnerungen sind für alle Beteiligten und Nahestehenden wichtig.

  10. Mein Beileid Stefan!
    Bei mir waren es letztes Jahr kurz hintereinander der Onkel und der Lebensgefährte meiner Mutter und auch da kam als erstes die Frage haben wir ein Foto?
    Zu deinem Foto,was wäre ein Friedhof ohne die obligatorischen Gieskannen, wenn man eine braucht ist keine da, du hast Glück gehabt das mal alle am Haken hingen. 😉

    Gruß Frank

  11. Pingback: howi
  12. „…und vielleicht etwas billiges Papier mit unserem Konterfei.“

    Wichtig dabei ist es, ab und zu auch mal die wertvollsten Fotos auf Papier zu bringen. Viele haben ihre kompletten Fotosammlungen nur elektronisch vorliegen. Und der nächste Hardware-Crash kommt garantiert.

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