Ich kann mich noch erinnern, als Jugendlicher mit meinen Eltern und meinen Freunden über die Gefahr eines Atomkrieges und angeblichen Bunkerplätzen diskutiert zu haben. Auch über die Frage, ob wir bei einem atomaren Bombenabwurf überhaupt in einen Bunker gehen wollten oder nicht lieber ein einziges und letztes Mal eine Explosion sehen wollten. Und natürlich hatte ich auf meinem Schulkoffer einen Aufkleber „Petting statt Pershing“ – obwohl ich noch nicht wußte, was Petting eigentlich ist.
Deswegen war der sonntägliche Besuch eines Bunkers weit mehr als eine „coole Location“, sondern vielmehr eine Reise in meine Vergangenheit – und ein interessantes Stück deutscher Nachkriegsgeschichte.
Der Bunker am Berliner Tor ist einer der beiden Bauwerke, die es in dieser Form in Hamburg noch gibt. Beide Bunker wurden ursprünglich 1941 im Rahmen des Führer-Sofortprogramms gebaut und rettete zahlreichen Menschen während des zweiten Weltkriegs das Leben. In Hamburg wurde nur der Bunker am Berliner Tor Anfang der 60er Jahre modernisiert – als einer der ersten Bunker und galt deswegen auch als Testbunker für andere Umbauten. Der andere Bunker ist noch im Originalzustand und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Diese beiden Bunker zählen zu den stabilsten Bauten, die es in Hamburg gibt. Sie sind kreisrund und die eingezogenen Wände teilen nicht nur die Räume untereinander auf, sondern stabilisieren den Bau durch die Speichenform zusätzlich. Der Bunker gilt als direkttreffsicher und hätte – zumindest in den 60er Jahren als die Bedrohung real wurde (Stichwort: Schweinebucht) – einem Atombombenabwurf von 7 bis 8 facher Hiroshima Stärke stand gehalten. Die Wände sind 2m und die Decke 1,4m dicker Stahlbeton – zusätzlich wird die Decke durch überkreuzte Eisenbahnschienen gesichert. Der Bunker ist dreigeschossig und hätte 440 Menschen zwei Wochen Schutz bieten können
Damit die atomare Strahlung nicht in den Bunker eindringen kann, wird die Atemluft, die von außen angesogen wird, über riesige Sandkästen und große ABC-Filter aus Aktivkohle gereinigt. Der Sandkasten dient auch zur sehr effektiven Kühlung: während draussen fast 30° Lufttemperatur herrschte, kamen im Bunker nur 12° an.
Die Luftanlage ist ein dreifach abgesichertes System – ist ja auch nachvollziehbar, denn ohne Atemluft ist ein Überleben auch im Bunker nicht gesichert. Im absoluten Notfall kann die Anlage über Handkurbeln angetrieben werden.
Von diesen technischen Feinheiten – so gibt es auch eine interne Telefonanlage, die wartungsfrei und ausfallsicher ist, auch herrscht im Bunker Überdruck, damit beim Öffnen der Schleuse der Dreck nicht reinkommt, sondern rausgedrückt wird – fällt es schwer sich ein Leben im Bunker vorzustellen. Zwei Wochen kein Tageslicht, zwei Wochen mit 440 Leuten ohne wirkliche Möglichkeit sich abzulenken, zwei Wochen entweder sitzen (es gibt 320 Sitzplätze) oder liegen (auf eine von 120 Liegeflächen, die 175cm lang oder wegen der Erschütterungen bei Bombeneinschlägen federnd gelagert sind), zwei Wochen ein Höllenlärm von dem großvolumigen Diesel, der die Klimaanlage betreibt, zwei Wochen keine Dusche (die einzige Dusche dient nur zur Reinigung eventuell strahlenbelasteter Menschen) – mir persönlich haben schon die gut sechs Stunden gereicht, bei denen ich zeitweise keinen gesehen habe, aber über das Lüftungssystem jeder Wort der anderen verstanden habe (die Klimaanlage selbst lief nicht).
Spätestens bei den letzten Zuckungen des kalten Krieges und der Aufrüstung durch sowjetische SS-20 Raketen und amerikanischer Stationierung von Pershings ist die Überlegung des Überlebens im Bunker sowieso obsolet gewesen – vom Abschuß bis zum Eintreffen des atomaren Erstschlags wären nur siebeneinhalb Minuten vergangen und in dieser Zeitspanne wäre ich nicht in den Bunker gekommen. Davon abgesehen hatten auch die Planer des Bunkers Anfang der 60er nicht mit dieser kurzen Reaktionszeit gerechnet: Lebensmittel wurden nicht eingelagert, der Geigerzähler hatte keine Batterien und ob eine Gasmaske ausreichend ist, wage ich auch zu bezweifeln. Aber es gab eh nur für etwas über 5% der Hamburger Bevölkerung Bunkerplätze – und das ist viel im bundesweiten Vergleich.
Nach diesem Besuchstag im Bunker bin ich jedenfalls sehr froh, dass wir seit fast 20 Jahren durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag offiziell im Frieden leben. Ein hohes Gut, dass vermutlich nur derjenige wirklich nachvollziehen kann, der diese Zeit erlebt hat. Alle anderen sei ein Besuch im Bunker am Berliner Tor wärmstens empfohlen. Besuchstermine gibt es auf der Webseite des Vereins unter-hamburg.de
An dieser Stelle vielen Dank für die Organisation von Daniel und die eindrucksvolle Führung durch den Bunker und ein Stück deutsche Geschichte von Herrn Rossig vom Verein unter hamburg e.V.
Und noch ein ausdrücklicher Hinweis bezüglich der Bilder: wie alle Bilder auf meiner Webseite sind diese natürlich urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne schriftliche Genehmigung von Stefan Groenveld übernommen, vervielfältigt und verbreitet werden.