Montag erhielt ich einen für mich überraschenden Anruf von Meister Camera: meine Bestellung wäre da. Überraschend, weil ich damit wahrscheinlich der erste mit einer Leica SL2 bin, der erst nach dem Verkaufsstart bestellt hat. Als die Kamera letzten Monat vorgestellt wurde, hatte ich nämlich zunächst keine Zeit. Und weil ich gar kein Ansinnen nach einer neuen Kamera hatte, habe ich mir die Leica SL2 erst Tage nach der offiziellen Vorstellung angeschaut. Allerdings musste ich feststellen, dass ich sofort von ihr gefangen war. Ich habe trotzdem erst das damalige folgende Wochenende mit intensiver Recherche verbracht, bevor ich sie dann doch bestellt habe. Und nun halte ich sie in den Händen.
Neulich habe ich ja ausführlich dargestellt, warum ich mich von der Leica M in der digitalen Form verabschiedet habe. Deswegen kommt für einige – und auch für mich – der Besitz einer Leica SL2 überraschend. Tatsächlich ist es aber so, dass mich die konsequente Reduzierung in der Bedienung, ohne etwas zu vermissen, bei Leica genauso fasziniert, wie die erstaunliche Qualität der Optiken. Daher hatte ich meine am häufigsten verwendeten M Optiken auch erst gar nicht verkauft.
Als ich nun die Leica SL2 in den Händen hielt, fühlte ich mich deswegen gleich wieder zu Hause. Hinzu kommt die liebevolle technische Meisterleistung, die einem das Gefühl gibt, kein Computerspezialist hätte die Kamera entworfen, sondern ein Fotograf. Die Haptik und die Benutzung einer Leica ist einfach unerreicht.
Das wird zum Beispiel beim Wechseln des Akkus deutlich. Der Akku wird nicht hinter der üblichen Plastikklappe versteckt. Der Wechsel wird mit einem kleinen Hebel am Boden eingeleitet und ist trotzdem gegen das unkontrollierte Herausfallen gesichert. Das macht den Akkuwechsel schnell und auch in Hektik absolut kontrollierbar.
Klar ist die Leica SL2 keine Sportkamera und soll es bei mir auch nicht werden – dafür habe ich Sony. Zwar kann die Leica SL2 20 Bilder die Sekunde aufnehmen, aber der kontinuierliche Autofokus funktioniert nur bei bis zu 6 Bilder pro Sekunde. Die Leica SL2 ist für mich eine konsequente Weiterentwicklung der Leica M. Der Body ist auch nur rund 200g schwerer. Natürlich größer als eine M, aber dafür mit einem sensationellen Sucherbild, keinerlei Probleme mehr mit der Justage des Messsuchers und einem hervorragenden Bildstabilisator. Übrigens ist die Leica SL2 bei vergleichbarer angesetzter Optik in den Ausmassen kaum größer als eine Nikon Z oder Sony A. Ich gebe allerdings zu, dass der Joystick etwas weit nach innen gesetzt ist, so dass ich mir vorstellen kann, dass kleinere Hände als meine, ein Problem in der Benutzung haben könnten. Sollte Mensch mal ausprobieren…
Gestern hatte ich nun endlich mal ‘ne Stunde Zeit, mit der Leica SL2 erste Gehversuche zu unternehmen. Der Hamburger Dom ist prima dafür geeignet, unter nicht so optimalen Bedingungen den Autofokus zu testen. Zunächst habe ich mich aber vom Bildstabilisator überzeugen lassen. Ich behaupte mal, dass der IBIS der Leica SL2 zu den Topperformern auf dem Kameramarkt gehört. Ohne Probleme konnte ich mit der verwendeten 35mm Optik eine Sekunde Belichtungszeit halten. Dabei habe ich mich nirgendwo selbst stabilisiert. Ich stand einfach so rum.
Der Autofokus der Leica SL2 beschränkt sich auf einen Kontrastautofokus. Das macht ihn auf dem Papier schlechter als die häufig bei anderen Herstellern verwendete Kombination von Phasen- und Kontrastautofokus. Bei den gestrigen Test auf dem Dom hatte ich allerdings absolut keinen Fehlschuss. Der Autofokus hat immer punktgenau getroffen. Hier ein Beispiel mit vielen Reflexionen.
Etwas verwirrend ist die Verwendung der sogenannten “Personenerkennung”. Andere Kamerahersteller nennen diese AF-Funktion “Eye-AF” oder Augenautofokus. Bei Leica ist es die Personenerkennung. Wild umherschweifende Rechtecke schwirren über den Sucher. Sieht merkwürdig aus, funktioniert aber absolut treffend. Die Person, die im grünen Rechteck steht, wird fokussiert. Und natürlich kann ich bei mehreren erkannten Personen mit dem Joystick die gewünschte Person ins grüne Rechteck stellen.
Also für einen ersten schnellen Test mit der Leica SL2 bin ich sehr zufrieden. Vor allem, weil die Farben – ganz Leica-like – auf Anhieb stimmen. Ich habe die Bilder auf dieser Seite – sofern sie von der Leica SL2 stammen (also beim Titelbild ist es anders) – nicht weiter bearbeitet. Nur hin und wieder etwas gerade gerückt, leicht beschnitten und für’s Web verkleinert. Die Lichtbedingungen auf dem Dom sind ja nicht optimal.
Nach all den Lobhudeleien sind mir aber drei negative Dinge noch aufgefallen. Die Akkukapazität ist nicht die Beste. Allerdings habe ich den Sucher auch mit 120Hz betrieben, weil ich abends auf dem Dom wirklich die optimale Performance des EVF begutachten wollte. Und er ist wirklich gut. Du kannst die Kamera sogar so einstellen, dass du im Sucher ausschließlich das Bild siehst – also keinerlei zusätzliche Informationen wie Belichtungszeit und Blende. Ist im ersten Augenblick etwas ungewöhnlich, aber unglaublich toll, um dich auf das Motiv zu konzentrieren.
Das zweite Negative ist die Zeichenanzahl für die Exif-Daten, um meine eMail Adresse einzutragen. Die ist für meine Adresse zu kurz. Das ist schade. (Fun-Fact: neulich schrieb mich jemand nett an, weil er mittlerweile meine alte Leica M10 hat und ihm jetzt er auffiel, dass in den Exif-Daten immer mein Name steht.)
Und dann ist da noch die Leica Fotos App. Die Verbindung funktioniert tadellos und echt einfach. Aber die wichtigsten Funktionen sind noch nicht implementiert. Ich kann also keine GPS Daten in meine Exif-Daten schreiben lassen und auch noch keine Bilder von der Kamera auf das iPhone übertragen. EDIT am 6.12.: Mittlerweile weiß ich es besser. Die GPS Daten werden übertragen, aber nur im WLAN Modus. Das ist aus meiner Sicht nur etwas für den Notfall. Denn dies bedeutet, dass ich die ganze Zeit eine WLAN Verbindung zwischen iPhone und Kamera habe. Das ist batteriefressend und sobald ich eine Mail etc bekomme, muss die Verbindung neu aufgebaut werden. Im Forum habe ich gelesen, dass Leica das Übertragen der GPS Daten auf den üblichen Weg der Bluetooth-Verbindung umstellen will. Auch die Bilder konnte ich letztlich in der Fotos App angezeigt bekommen. Ich musste nur nagelneue SD Karten verwenden und diese zweimal in der Kamera formatieren. Der Übertrag der DNG Dateien verlief dann reibungslos, auch wenn die Dateigröße etwas Zeit in der Übertragung benötigt. Unter jedem Bild ist dann die Schaltfläche für Lightroom und das Öffnen in der Adobe App klappt tadellos.
Trotzdem ist der Testzeitraum für den kostenpflichtigen Teil der App auf 7 Tage begrenzt. (Ja, über den Preis von 54,99€ kann man natürlich auch streiten.) Hier wäre es eine schöne Geste gewesen, wenn Käufer der Leica SL2 die App zum Beispiel im ersten Jahr kostenfrei nutzen können.
Zum Abschluß noch ein Trick für die Menschen, die Anhängerinnen der Back-Button-Fokus Methode sind. Die Leica SL2 im manuellen Fokus betreiben, aber den Autofokus auf den Joystick legen.
Natürlich reicht eine Stunde auf dem Dom nicht, um die Kamera auf Herz und Nieren zu testen. Das kommt mit der Zeit. Ich habe ja bewusst diese Überschrift gewählt. Fazit: Ich werde berichten. Der Start ist aber schon mal gelungen.