Florentine Weihe Florentine Weihe

Das Leben der Esther Bauer

Gestern gab es wieder diese wunderbare Chance auf intelligente Kultur zum kleinen Preis. Zum dritten Mal fand in den Fanräumen vom Millerntor-Stadion die Veranstaltung „Kein Vergessen, kein Vergeben“ statt. Die letzten beiden Male berichteten Zeitzeugen über ihr jüdisches Leben zur Nazi-Zeit. Diesmal gab es ein Theaterstück vom Thalia-Theater mit dem Titel „Das ist Esther“ zu sehen. Gemeint ist Esther Bauer, die 1924 in Hamburg geboren wird, mit viel Glück gleich mehrere Ghettos und Konzentrationslager überlebt hat und seit 1946 in New York lebt.

Die wahre Geschichte wird von der fiktiven Enkelin Mary Anne erzählt. Das kommt in vielen Passagen deutlich emotionaler rüber als bei den Zeitzeugengesprächen. Die starken Auf und Abs im jüdischen Leben zur Nazizeit werden durch Hoch- und Tiefpunkte im Alltag von Esther Bauer berührend nacherzählt. Mal als Bericht, mal als Tondokument, mal wird das Publikum direkt mit einbezogen.

Das alles wird ganz wunderbar von der jungen Schauspielerin Florentine Weihe in Szene gesetzt. Ihr nimmt man vom ersten Augenblick die Geschichte ab, weil sie fein die Emotionen herausspielt, ohne dabei zu übertreiben oder affektiert zu wirken. Selten hat mich ein Theaterabend so berührt.

Die Spuren des Lebens von Esther Bauer kannst du übrigens problemlos in Hamburg sehen. Zum einen gibt es Stolpersteine für ihre Eltern vor ihrer letzten Wohnung im Woldsenweg in Hamburg. Ihre Mutter ist seit wenigen Jahren Namensgebern für einen Platz in Eppendorf. Nach dem Wegfall der dortigen Karstadt-Filiale wurde der ehemalige Parkplatz saniert und heißt nun Marie-Jonas-Platz. Esther Bauers Mutter Dr. Marie-Anna Jonas hat unter anderem im UKE gearbeitet, aber auch im israelitischen Krankenhaus in der Simon-von-Utrecht-Strasse, das heutige Bezirksamt und den Teilnehmern des letzten Gedenktages vom Fanladen FC St. Pauli auch besonders bekannt. Esther Bauer’s Vater war der letzte Schulleiter der israelitischen Töchterschule in der Karolinenstrasse, die heute eine Gedenkstätte ist und seinen Namen Dr. Alberto Jonas trägt.

Der Abend hat mir nicht nur das Leben der Esther Bauer näher gebracht. Es hat mir auch mal wieder eindrucksvoll gezeigt, wie dicht jüdisches Leben vor der Nazi-Herrschaft in Hamburg verwebt war und dann dieses Netz einfach raus gerissen wurde. Diese sehr brutale Art der Diskriminierung möchte ich niemals erleben. Ich bin sehr glücklich, dass gerade in meinem Viertel unterschiedlichste Kulturen und Religionen sehr friedlich miteinander leben können.

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