Aus aktuellem Anlass hier noch mal ein Text, den ich vor rund 10 Jahren in meinem alten Blog, als ich noch über Fussball, Motorradfahren und GPS bloggte, veröffentlicht hatte. Und zur Entschuldigung: das Bild ist nur ein Beispielbild. Ich habe erst in der Nachfolgesaison angefangen für Zeitungen zu fotografieren. Nichtsdestotrotz zeigt das Bild mit Bodo Mattern einen Ex-Spieler von Darmstadt 98, der bei der folgenden dramatischen Geschichte allerdings keine Rolle spielte. Und zur Erklärung: bei den „Lilien“ aus Darmstadt lernte ich die Sportfotografie, als ich mehrere Jahre dank Jugendpresseausweis am Spielfeldrand stand und jedes zweites Wochenende einen Film für mich belichtete.
In der Saison 1987/88 belegt der SV Darmstadt 98 hinter den Stuttgarter Kickers und dem FC St. Pauli den dritten Platz. Man hatte zwar die beste Abwehr der Liga, aber im Sturm haperte etwas – deswegen reichte es nur zum Relegationsspiel gegen den drittletzten der ersten Bundesliga, um zu entscheiden, wer die nachfolgende Saison in der ersten Liga spielen würde. Der Gegner war kein geringerer als der SV Waldhof Mannheim. Die räumliche Nähe und die Tatsache, dass der Trainer von SV Darmstadt 98 Klaus Schlappner hieß und vorher 7 Jahre Trainer bei Waldhof war, sorgten für eine besondere Brisanz. Es sollte der bitterste Fußballkrimi werden, den ich bisher erlebt habe!
Die erste Partie fand am 1. Juni 1988 am heimischen Böllenfalltor statt. Für Darmstadt spielte Berg, Emig, Bernecker, Lachmann, Sanchez, Scholz (Gu), Posniak, Heß, Dörr (Künast), Kuhl und Gutzler. Vor 25000 Zuschauern schien nach 47 Minuten der Traum vom Aufstieg schnell ausgeträumt. Darmstadt lag mit 2:0 zurück! Doch innerhalb von 10 Minuten drehten die „Lilien“ den Spieß um und brachten das Stadion zum Kochen. Gutzler (63.), Posniak (66.) und der eingewechselte Gu (73.) sicherten ein 3:2. Guangming Gu war übrigens der erste Chinese im deutschen Profifußball.
Das Rückspiel fand im Ludwigshafener Südwest Stadion ein, da das damalige Waldhof-Stadion eher einer Bruchbude glich und niemals so vielen Zuschauern sichere Unterhaltung geboten hätte. Bei Darmstadt spielte fast die gleiche Mannschaft wie im Hinspiel nur Trares spielte für Dörr. Darmstadt war zwar spieltechnisch die bessere Mannschaft, lag aber lange 1:0 hinten. Bis zur 86. Minute: Lux erzielt für Waldhof das 2:0! Das war’s! Tiefe Enttäuschung machte sich unter den Darmstädter Anhängern breit – hatte man doch einige hervorragende Torchancen ausgelassen.
Allerdings hakten die Spieler das Match noch nicht so schnell ab. Es folgte ein Sturmlauf der 98er. Uwe Kuhl wurde steil angespielt und schoß auf’s Tor – Treffer!! Unglaublicher Jubel! Es stand 2:1 und alles war wieder offen! Wieder tobte die Menge. Aber mehr war an diesem Tag nicht drin.
Es gab noch nicht die Regel der bei Gleichstand doppelt zu zählenden Auswärtstore. Ein Entscheidungsspiel auf neutralem Boden mußte die endgültige Entscheidung bringen. Der neutrale Boden hieß Saarbrücken und ein riesiger Tross von weiß-blauen Autos zog von Darmstadt aus ins Saarland. Es folgte der Dramatik dritter Teil.
Nach 90 Minuten stand es 0:0 – Verlängerung! Auch in der Verlängerung gab es keine Tore – Elfmeterschiessen! Nie wieder sollte die Entscheidung über 1. oder 2. Liga so knapp ausfallen.
Darmstadt mußte vorlegen: Posniak verschoss gleich den ersten, Lux traf für Waldhof zum 1:0. Uwe Kuhl gleicht aus, Bockenfeld (Waldhof) verschießt, Uwe Schreml trifft, Bührer gleicht aus. Gu trifft zum 3:2, Trieb verschießt. Riesen Jubel bei Darmstadt – Karl-Heinz Emig, einer der sichersten Elfmeterschützen, hatte als 5. Schütze alles auf dem Fuß. Darmstadt könnte zum dritten Mal in die erste Liga aufsteigen. Da er damals schon einen Vertrag mit dem 1.FC Kaiserslautern hatte, sollte das der letzte Schuß für Darmstadt nach vier Jahren Abwehrchef für die „Lilien“ sein. Waldhofs Torhüter Zimmermann konnte den schwachen Schuß allerdings halten! Das Elfmeterschiessen ging weiter. Waldhof gleicht aus, Scholz (später Trainer von Darmstadt) erhöhte zum 4:3, Waldhof gleicht aus, Bernecker verschießt und Klotz trifft für Waldhof zum 5:4. Aus! Vorbei! Endgültig! Waldhof Mannheim blieb in der ersten Liga.
Von dieser Niederlage hat sich Darmstadt so schnell nicht mehr erholt. Sportlich und finanziell ging es von nun an bergab – bis hin zum Abstieg 1993 in die Oberliga. Ich werde diese Spiele nie vergessen – über eine Woche haben mich diese Spiele in ein heftiges Wechselbad der Gefühle geworfen. Es war alles verdammt knapp…
Heute und am Montag kann der SV Darmstadt 98 zurück in den deutschen Profifussball finden. Du weißt nun, wem ich die Daumen drücke.
Bist aber nicht da heute oder?;)
Nur mental 🙂
Bist du der linke oder der rechte Spieler?
Der Zuschauer hinten mit der Hipstermütze…
der Linke sieht aus wie http://www.greuther-fuerth.de/profis/spieler/profil/pt3/75/ilir-azemi.html
Stefan, vielen Dank für den Beitrag!
Nach Deinem Post war mir Bielefeld plötzlich sowas von egal (das war vorher genauso) und Darmstadt 98 sehr sympathisch (das war vorher anders).
Ich habe das Relegationsspiel als eine der letzten Fußball-Infusionen vor der dank WM nicht ganz so trockenen Sommer-Dürreperiode mitgenommen. Und dann das Ding!
Ich habe einen vor 10 Jahren nach Darmstadt umgezogenen Freund angerufen und gratuliert! Fußball verbindet, Magie, Fußballgott und so.
Vielen Dank an Dich und Gratulation nach Darmstadt!
Danke. Sehr schön!
I love football. Thanks for sharing!