Jährlich erscheint im März der Weltwasserbericht der Vereinten Nationen (UN). Zwei Sätze aus dem Bericht von 2019 haben mich an meine Reisen mit Viva con Agua erinnert. Außerdem beinhalten solche Berichte immer eine Reihe von Zahlen und Daten. Die sind kaum begreiflich, wenn du nicht die Situation vor Ort wenigstens ansatzweise erlebt hast. Ich zeige dir deswegen hier einige Eindrücke der Arbeit von VcA zusammen mit der Welthungerhilfe in Äthiopien, wie ich sie Anfang des Jahres erlebte. Aber zunächst die angesprochenen zwei Sätze:
Über 2 Milliarden leben ohne sicheres Trinkwasser, 844 Millionen müssen mindestens eine halbe Stunde täglich für die Wasserbeschaffung aufwenden oder sie haben gar keinen Zugang.
Quelle: Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission zum Weltwasserbericht 2019
Vermutlich ist dein nächster Wasserhahn um die Ecke. Ich zeige dir zum Thema “Wasserbeschaffung in einer halben Stunde” ein typisches Bild aus Äthiopien. Das ist zwar eins der ärmsten Länder der Welt, aber die Versorgung von Trinkwasser ist in der Sub-Sahara Region noch besorgniserregender.
Es ist übrigens in vielen Ländern die Regel, dass Frauen das Wasser besorgen. Trotzdem haben sie einen schlechteren Zugang zu sauberen Trinkwasser. Und während in Deutschland der Umgang mit Wasser ziemlich nachhaltig und in Ordnung ist (Ausnahme Landwirtschaft), sorgt unser Verbrauch in Gegenden mit schlechterer Wasserversorgung für eine weitere Verschärfung des Problems. Als Beispiele nennt der Bericht unsere Kleidung wegen des Anbaus von Baumwolle oder den Verzehr von Rindfleisch. Es gibt da unterschiedliche Berechnungen, aber gehe mal davon aus, dass dein Burger mindestens 1000l Wasser verbraucht. Und deine Jeans 6000l…
Wasserbeschaffung im Alltag
Der normale Tagesablauf in vielen Ländern bedeutet, dass du am Morgen erst mal zum Brunnen gehst. Erst danach kannst du zum Tagwerk übergehen.
In urbanen Gebieten sind die Wege kürzer, aber dafür gibt es auch mehr Menschen am Brunnen. Da alle ihr Wasser benötigen, sind dann die Wartezeiten am Brunnen länger. Und beim Anblick dieser Bilder magst du vielleicht einen kurzen Moment darauf verschwenden, wie die körperliche Arbeit der Wasserbesorgung gelingt, wenn du krank oder alt bist.
Und was ist mit der Wasserqualität?
Neben der Mühsal bei der Wasserbeschaffung ist die Wasserqualität ein weiterer wichtiger Faktor, den es zu betrachten gilt. In Deutschland haben nahezu 100% Zugang zu sauberen Trinkwasser. Der Weltwasserbericht fasst das Dilemma zusammen:
“Fast jeder dritte Mensch (2,1 Milliarden Menschen) hatte keinen Zugang zu einer sicheren Trinkwasserversorgung.” Und: “Über 80 Prozent aller Abwässer weltweit werden ungeklärt in die Umwelt entsorgt.”
Aus der Zusammenfassung des Weltwasserberichts 2019
Wie das dann aussieht habe ich in einer Community von Addis Abeba, einer der Metropolen Afrikas und der Hauptstadt von Äthiopien erlebt (und gerochen).
In der angesprochenen Community leben geschätzt 2 bis 3-tausend Menschen. Die lokale Politik hat da immerhin 6 Toiletten für alle hingebaut, davon 5 mit Türen. Natürlich sind das sogenannte Plumsklos und einmal im Monat werden die Fäkalien abgepumpt. Dieses Entsorgen müssen die Bewohner selbst bezahlen. Die Menschen vor Ort wollten an ihrer Situation etwas ändern und fanden Kontakt zu Goldeimer. Den Namen dieses Social Businesses hast du sicherlich im Zusammenhang mit Toilettenpapier und vernünftigen Festivalklos gehört. Zusammen wurden die ersten beiden biologischen Toiletten in Afrika gebaut – mit Pflanzenklärwerk! Bilder (auch von mir) und Bericht gibt es bei Goldeimer. Grandiose Sache!
Verbesserung in Sicht?
Viva con Agua hat zusammen mit der Welthungerhilfe ein tolles Projekt in Äthiopien gestartet. Es wurde ein mobiles Brunnenbohrgerät angeschafft. Damit kann Grundwasser für umliegende Dörfer angebohrt werden und entsprechende Brunnen gebaut werden. Das Projekt ist zunächst auf 8 Jahre angelegt.
Es folgt mein emotionales Highlight der Reise: die Brunnenbohrmaschine stößt auf Wasser! Da stehst du mitten in einer wunderbaren Landschaft in der nur einige Kuhhirten in der prallen Hitze des Tages unterwegs sind. In Sichtweite vermodert ein alter Brunnen, der wegen seiner zu geringen Bohrtiefe nun nicht mehr ans Grundwasser kommt. Bewohner des benachbarten Dorfes warten mit dir darauf, wenn der Bohrer der mobilen Bohreinheit auf die Wasserader stößt. Natürlich haben äthiopische Geologen die Bohrstelle berechnet und äthiopische Experten bedienen die Maschinen.
Ein wahrlich toller Moment: Grundwasser sprudelt in die Höhe. Ja, noch sieht das Wasser dreckig aus, aber das ist völlig normal. Es ist eben Grundwasser. Wenn der Brunnen an dieser Stelle gesetzt wird, gibt es auch eine entsprechende Reinigung. Die Mechaniker erzählen, dass sie ein feines Gitter an die Brunnenbohrmaschine installieren wollen, damit das Wasser für die Fotos sauberer aussieht. Aus meiner Sicht ist das zu viel Mühe für ein paar europäische Spendenaugen. Denn natürlich ist das entscheidende, dass es an dieser Stelle überhaupt Wasser gibt. Und selbstverständlich ist es problemlos trinkbar. An anderer Stelle überzeugt sich Moderatorin Jeannine Michaelsen davon persönlich.
Wasser ist Leben
Ja, es gibt noch viel zu tun, damit Wasser wirklich für alle wie Selbstverständlich zum Leben dazu gehört. Ich bin froh, dass ich in Äthiopien (und auch früher in Uganda und Nepal) die Arbeit von Viva con Agua vor Ort erleben konnte. Keine “Entwicklungshilfe”, sondern ein Miteinander auf Augenhöhe. Alle Beteiligten bringen ihre Fähigkeiten ein und schaffen zusammen Großartiges.
Den kompletten Weltwasserbericht der UN kannst du auf englisch hier lesen oder du schaust dir die deutsche Zusammenfassung an.
Weitere Informationen zu Viva con Agua und ihrer Arbeit findest du auf deren Webseite oder bei der nächsten Millerntor Gallery, die vom 4. bis 7. Juli 2019 im Millerntor Stadion stattfindet – zusammen mit vielen dutzend Künstlern und Freiwilligen aus aller Welt.
Vielen Dank für diesen interessanten Artikel #Wasser_ist_Leben
dankeschön…wichtig und toll geschrieben…
Danke!