Der FC St. Pauli spielt eine nahezu perfekte Saison 2019 und verliert nur ein einziges Spiel. Leider war dies das letzte Spiel der Saison 2019, das Blindenfussball Finale um die deutsche Meisterschaft. Denkbar knapp und erst im Sechsmeterschiessen müssen sich die Kiezkicker geschlagen geben. Die Zuschauerinnen sahen den besten Blindenfussball, den es aktuell in Deutschland zu sehen gibt. Ein mitreissendes Spiel, das letztlich verdient von SG BG Blista Marburg gewonnen wurde. Die Revanche für die Finalniederlage vor zwei Jahren ist Marburg damit geglückt.
Danke FC St. Pauli Blindenfussball
Alle, die in den letzten Jahren beim FC St. Pauli die Blindenfussball-Abteilung mit Leben gefüllt haben, können mit stolz geschwellter Brust durchs Leben gehen. Die aktuellen Nationalspieler Joni Tönsing und Rasmus Narjes habe ich zusammen mit Paul Ruge zuerst 2013 beim Fussball spielen fotografiert – und da war nur ich der Anfänger bei diesem faszinierenden Sport. Seit dem ist viel passiert und die drei sind zu den absoluten Stützen des Teams geworden. Drei Mal in Folge stand das Team nun im Finale zur deutschen Meisterschaft.
Die letzten beiden Saisons beendete das Team zudem jeweils auf dem ersten Tabellenplatz. Diese Saison ungeschlagen mit 7 Punkten Vorsprung (bei 6 Teams in der Bundesliga und Hin- und Rückrunde). Das ist wirklich aller Ehren Wert. Das ist so, als wenn der FC Bayern München 6 Spiele vor Ende der Saison Meister wird.
Da wurde in vielen Jahren etwas aufgebaut, was sich sehen lassen kann. Die Feldspieler der Startelf von Sankt Pauli bestand aus Spielern um die 20. Und die nächste Generation steht auch schon in den Startlöchern. Außerdem handelt es sich um Amateursport. Wer die wunderbare Dokumentation „Lass rasseln“ im NDR gesehen hat, weiß, dass zum Beispiel Teamkapitän Rasmus Narjes für jedes Training 4 Stunden Zugfahrt in Kauf nimmt.
In Marburg ist das natürlich genauso, aber leider nicht bei allen Vereinen. Andere nahmhafte Vereine telefonieren lieber Nationalspieler anderer Nationen an Spieltagen herbei, als ihre eigenen Vereinsmitglieder und deutsche Nationalspieler gegen den Ball treten zu lassen. Die Finalpartie zwischen den FC St. Pauli und SG Blista Marburg war also auch eine Werbung für nachhaltige Arbeit im Sinne der Inklusion.
Finalspieltag
Der Finalspieltag wurde vor drei Jahren eingeführt. An einem letzten Spieltag kämpfen die Tabellennachbarn um die Platzierungen. Interessanterweise wurden die daraus resultierenden Meisterschalen zum Schluss immer von den Zweitplatzierten der laufenden Saison in den Himmel gereckt. 2017 war es der FC St. Pauli, letztes Jahr der MTV Stuttgart und dieses Jahr nun Marburg, die den Titel damit zum 5. Mal gewinnen.
Der Eröffnungs- und der Finalspieltag finden immer in einer ausgewählten Stadt in Deutschland statt. Das Finale nun gestern in Saarbrücken. Auf dem Weg zum Spielort vor dem Saarländischen Staatstheater kam ich in der Fussgängerzone an vielen Ständen von Verbänden vorbei, die sich um Krankheiten und Behinderungen kümmerten. Ich dachte zunächst, das wäre der Zusammenhang zur Spielortauswahl. Aber es war doch nur eine Veranstaltung der gesetzlichen Krankenkassen. Trotzdem wäre ein Hinweis zum kaum 5 Gehminuten entfernten Veranstaltungsort der Finals im Blindenfussball sicherlich gut platziert gewesen.
So fanden nur wenige Fans den Weg ans Spielfeld. Einige auch eher zufällig. Ein Junggesellenabschied war eigentlich auf dem Weg zum nahen Park. Sie blieben zunächst verwirrt stehen und waren dann so gefesselt vom Spielgeschehen, dass sie bis zum Schluss blieben. So ging es vielen Zuschauern. Wer diesen Sport einmal gesehen hat, wird ihn so schnell nicht vergessen.
Es stimmt mich allerdings etwas traurig, dass dieses hochklassige Spiel auf einem schlecht verlegten Kunstrasen gespielt wurde. Die Spielerinnen und Spieler sind auf ihre Ohren und Tastsinne angewiesen. Wenn dann beim Betreten bestimmter Bereiche des Spielfelds plötzlich der Boden wackelt, ist das nicht auf internationalem Niveau. Du weißt, wie sich das anfühlt und -hört, wenn im Parkett eine Diele nachgibt und knarrt? So war es teilweise auf dem Spielfeld. Natürlich betrifft das beide Teams und meine Bemerkung ist wirklich nicht als Ausrede gedacht. Es soll aber doch ein Finaltag sein und dann müssen solche Sachen einfach stimmen.
Das Finale um die Meisterschaft im Blindenfussball 2019
Kommen wir zum Spiel: der FC St. Pauli beginnt zunächst nervös, fängt sich aber schnell und ein erster Pfostenschuss von Jonathan Tönsing lässt aufhorchen. Danach rollt die Angriffsmaschine wie geschmiert. Nur der Marburger Taime Kuttig kann für Entlastung sorgen. Dann wird ein Schuss von Joni abgefälscht und lässt Nationaltorhüter Sebastian Themel keine Chance. Verdiente 1:0 Führung für Braun-Weiß! Kaum zwei Minuten später wird der quirlige Marburger Pektas vom zuverlässigen Abwehrterrier Hippo in aussichtsreicher Position gefoult.
Diese Chance lässt sich Marburg nicht nehmen. Kuttig legt den Ball geschickt auf der kurzen Seite an der Mauer vorbei und drischt den Ball unhaltbar im kurzen Eck unter die Latte. Ausgleich.
Sankt Pauli lässt aber nicht locker. Mit Durchsetzungskraft und Willen behauptet Joni vor dem Marburger Tor den Ball. Der zur Hilfe herbeistürzende Pektas klärt den Ball – ins eigene Tor. 2:1 Führung für Braun-Weiß!
Halbzeit. Verdiente Führung für Braun-Weiß. Aber in der zweiten Halbzeit erhöht Blau-Gelb den Druck. Bei tropischen Temperaturen verlangt das intensive Spiel den Protagonisten auf dem Rasen alles ab.
So kommt es, dass der 31.August 2019 nicht als Tag der Torhüter in die braun-weißen Annalen eingehen wird. Während wenige Stunden vorher Robin Himmelmann das seltene Missgeschick passiert, am Ausgleich des Gegners Schuld zu sein, ist dies im Finale zur deutschen Meisterschaft im Blindenfussball Sven Gronau vorbehalten. Ein nicht besonders fest geschossener Ball von Taime Kuttig parriert Sven mit dem Bein, aber von da springt der Ball gegen seine Hand und er schlägt sich den Ball sehr unglücklich ins eigene Tor.
Zweimal hatte Joni seinen FC St. Pauli in Führung gebracht, zweimal kam Marburg zurück. Und wie 2017 wurde auch 2019 das Finale zwischen FC St. Pauli und Blista Marburg im Sechsmeterschiessen entschieden.
Während Nationaltorhüter Sebastian Themel die beiden Schüsse seiner Nationalmannschaftkollegen Tönsing und Narjes entscheidend ablenken kann, ist Matze Gutzmann im Tor der Braun-Weissen gleiches nicht vergönnt – obwohl auch er dran ist. Horn und Kuttig treffen – die SG BG Blista Marburg ist erneut deutscher Meister im Blindenfussball.
Das Team vom FC St. Pauli kann erhobenen Hauptes den Platz verlassen. Darüber hinaus ist Joni zum besten Spieler der Saison ausgezeichnet worden und hat sich die Torjägerkanone mit 17 Treffern gekrallt.
Jetzt kommt die Europameisterschaft im Blindenfussball in Rom. Am ersten Oktober-Wochenende kannst du dann wieder erstklassigen Blindenfussball in Hamburg sehen – dann gibt es das Master auf dem Gelände am Borgweg. Kommt vorbei, es lohnt sich….