Am Mittwoch beginnt die letzte Photokina im Herbst. Zeit, eine häufig an mich gestellte Frage zu beantworten: welche Kamera soll ich kaufen? Aber nicht zu früh freuen, denn meine Antwort fällt nicht so eindeutig aus, wie du vielleicht hoffst.
Die Fotoindustrie veröffentlicht mittlerweile häufiger neue Kameramodelle als Handyhersteller ihre Smartphones. Wer soll da den Überblick behalten? Dazu gibt es im Netz Hunderte von Artikeln zu den jeweiligen Kameras, die sich teilweise auch noch widersprechen. Wem soll man da glauben? Nun, im folgenden einige persönliche Bemerkungen.
Wie behalte ich den Überblick auf dem Kameramarkt?
Ich lese zum Beispiel grundsätzlich keine Fotozeitschriften: den Zusammenhang zwischen Werbeschaltungen und positiven Kamerareviews hat mir noch keiner glaubhaft widerlegen können. Und wenn es nur dazu führt, dass völlig unterschiedliche Kameras miteinander verglichen werden, damit ein Modell besonders gut aussieht.
Blogposts finde ich deutlich spannender, aber hier ist extreme Vorsicht geboten. Wenn nicht klar im Blogpost formuliert ist, woher die getestete Kamera stammt, interessiert mich der Rest nicht mehr. Es gab 2016 Gespräche zwischen mir und Nikon, weil die mich als „Influencer“ gewinnen wollten. Ich habe das ziemlich schnell abgelehnt, als ich gesehen habe, dass andere Influencer über deren Kameras schrieben, ohne auf diese (wenn auch lose) Geschäftsbeziehung hinzuweisen.
Außerdem sind die Häufigkeit von Affiliate Links ein gutes Indiz, ob jemand Fotograf ist oder doch nur über das Thema schreibt, damit mit Technik Geld verdient werden kann. Ich kenne Leute, die durchaus vierstellige Beträge von Amazon u.a. beziehen – es ist lukrativ, über neue Kameras zu schreiben.
Blogs
Blogposts über Kameratechnik ziehen auch viel leichter Menschen via Google auf den eigenen Blog als Fotos. Das kann ich auch an meinem Blog sehen. Mein (aus heutiger Sicht) grausamer Beitrag über variable Graufilter wird auch nach 7 Jahren immer noch angeklickt und bringt über Affiliates Geld – wenn auch nur Centbeträge. Meine Bilder von meinem Besuch im Packeis interessieren – egal, wie gut ich die Fotos finde – schon wenige Tage nach dem Veröffentlichen kaum noch Menschen.
Wenn ich mir also Blogbeiträge zu Kameras anschaue, dann möchte ich ein vertretbares Verhältnis von Technik und eigenen Bildern sehen. Dabei ist mir dann auch wichtig, dass die Bilder mich interessieren und ansprechen. Ein Architekturfotograf kann noch so richtig und eloquent über eine Kamera schreiben, er wird mich nicht in seinen Bann ziehen. Und ja, ich habe auch schon Kamerareviews von über 10.000€ teuren Kameras und Objektiven gesehen, bei denen die Bilder einfach nur schlecht waren. (Und das bedeutet bitte nicht, dass ich nur Gold poste: ich kenne meine Fehler, ich sehe sie täglich.)
Außerdem ist es natürlich wichtig zu wissen, wie lange betreffende Person mit der Kamera gearbeitet hat. Und in welchem Umfang er oder sie die Kamera nutzt.
Instagram!
Soll ja der heiße Scheiss sein und ja, Leute, die mit ihrem Equipment umgehen können, kann ich auch da erkennen. Aber beurteilen, wie gut Kameras anhand von dort gezeigten Bildern sind, kannst du absolut vergessen. Auch ich habe schon unscharfe Fotos hochgeladen – fällt bei der „Vergrößerung“ dort nicht auf. Bei 1080 Pixel ist alles toll…
Zurück zur Eingangsfrage:
Welche Kamera soll ich mir kaufen?
Erst mal ein guter Rat: vergiss die ganzen technischen Daten. Im Zweifelsfall erhöht die hohe Megapixelanzahl, der schnelle Autofokus, der schnelle Buffer, die Highspeedrate beim Auslösen nur deinen Ausschuss und beschleunigt die Notwendigkeit bald schon eine neue, größere Festplatte zu kaufen. Brauchst du das? Dann lebst du vermutlich von deinen Bildern und du weißt eh, was du machst (dann liest du aber auch einen Blogpost mit dieser Überschrift nicht….)
Anbei mal ein Foto mit einer Kamera, die ein festverbautes Objektiv hat, keinen Autofokus und nach dem Auslösen musst du einen großen Hebel zum Spannen des Verschlusses bewegen. Die Kamera hat schon nicht mal einen Belichtungsmesser und mir war klar, dass ich diese Situation nie wieder erleben kann: Megaloh irgendwo in Uganda. Ich habe von der Situation nur ein einziges Foto gemacht.
Die Werbung möchte dir weiß machen, dass du nur mit schnellem Autofokus das tolle Sportbild machen kannst? Viele Hersteller meinen mit „schnellem Autofokus“ übrigens, dass die Kamera bei Betätigen des Auslösers schnell scharf stellt und auslöst. Ein schneller Autofokus zeichnet sich für mich allerdings durch etwas anderes aus. Stell dir folgendes Szenario vor: ein nicht gleichmäßig bewegtes Objekt kommt schnell auf dich zu. Währenddessen schieben sich auch noch nur sekundär wichtige andere Objekte zwischen dir und dem eigentlichen Objekt. In der ganzen Zeit soll bitte das für dich wichtige Objekt im Fokus bleiben. Daran scheitern sehr viele Kameras – auch moderne DSLRs. Deswegen hier ein Sportbild – fotografiert mit manueller Optik, nämlich einem Leica 90mm Objektiv an einer Leica Kamera. Das ist nun wirklich keine optimale Kombination – zumal das Ding auch keine tolle Serienauslösezahl hat…
Übrigens ist auch das Titelbild dieses Beitrags mit einer Leica und manueller Optik fotografiert worden.
Also, welche Kamera soll ich mir nun kaufen?
Kurze Antwort: die, die dir gefällt. Ich habe schon Kameras besessen, mit denen ich einfach keine Bilder gemacht habe, die mich begeisterten. Kaum habe ich die Kamera jemanden verkauft, sehe ich tolle Fotos aus dem Ding…
Lange Antwort: durch die eingangs erwähnte Häufigkeit von der Veröffentlichung neuer Kameras, ist es eigentlich Wurscht, was du dir kaufst. In zwei Jahren gibt es eh schon wieder was Neues. In vier Jahren ist deine jetzt frisch gekaufte digitale Kamera praktisch wertlos. Mein Lieblingstipp an Einsteiger: trenne dich von dem Gedanken, dass dies die letzte Kamera ist, die du kaufst! Das macht die Entscheidung wirklich einfacher. Das Geld ist sowieso weg…
Viel wichtiger sind die Objektive! Spare lieber am Gehäuse, aber kaufe die besseren Optiken. Die machen nämlich das Bild und haben eine viel längere Halbwertszeit.
Ach ja, von dem gesparten Geld kaufst du dir bitte ein paar geile Fotobücher oder gehst mal in ein Museum. Hilft viel mehr für gute Fotos als die neuste Kamera…
das Bild aus der Sony mit dem Noctilux… Die Frage könnte auch lauten: welche Kamera soll ich nicht kaufen?
wie meinen?
Du sprichst mir wahnsinnig aus dem Herzen. Danke mein Lieber!
Genau DAS:
„Kurze Antwort: die, die dir gefällt.“
… und das macht so viel aus bei den Bildergebnissen!
Genau! Das unterschätzen nur viele …
Sehr treffend geschrieben, Stefan.
Danke!
Auch wenn ich von meinen Bildern lebe und weiß, was ich möchte, habe ich deinen Artikel gelesen. ;o)
Zum Glück muss ja jetzt Werbung und Affiliate gekennzeichnet werden. So nervig es auch aussieht, so wichtig und richtig finde ich das für die User. Kaum jemand schaut genau hin und hinterfragt die Tests.
Und ich mag den letzten Satz. So ist es. Danke also für den Artikel.
Vielleicht sehen wir uns ja wieder zufällig auf der Photokina.
Lieben Gruß und „Rock On!“
Moin,
ich war bisher ein großer Sony A7r Fan, exakt 4 Monate. Anschließend kam die Info der Nikon Z raus. Nach der Photokina war mir klar, dass ich definitiv zurück zu Nikon möchte, weil ich eine kleine gute Kamera gesucht habe. Mit der Sony konnte ich mich nie anfreunden, wahrscheinlich, weil ich mich nicht umgewöhnen konnte.. Naja, die ISO der Z spricht für sich. Eine absolut Mega gute Kamera mit zwei kleinen Mankos.Für mich als Hochzeitsfotograf fehlt der zweite Kartenslot und es fehlt der Autofokus-Motor! Ich finde jedoch, dass das Thema sowieso für jeden sehr individuell ist, aber klar Stefan, das was du geschrieben hast passt genau.
Ich wünsche dir eine tolle Restwoche und viele Grüße, Tony
Erst mal vielen Dank dafür, dass Du so offen über Deine Erfahrungen mit der Fotografie schreibst. Ich vermute nun, dass ich mich ebenfalls „öffnen“ darf. Also, ich wundere mich, dass Du mit keinem Wort der C-Firma eine Erwähnung gönnst. Ich fotografiere seit 11 ( in Worten: „elf“) Jahren mit einer EOS 5 D Mark II. Das Mittelformat „bediene“ ich mit einer Hasselblad 503 CW. Ich fotografiere seit 70 Jahren, mit 12 Jahren begann ich die „Knipserei“ mit einer 9×12 Plattenkamera. Da der Fotobazillus seit dieser Zeit unausrottbar ist, habe ich mit diversen Sytemen gearbeitet. Leica, Nikon, Olympus, Hasselblad waren bis 2009 die wichtigsten „Gerätelieferanten“. Die 5D MkII von Canon war die erste Vollformatkamera, die auch filmen konnte. Und ich wollte filmen und fotografieren mit meiner Kamera. – Ja, sie funktioniert tadellos nach 11 Jahren! Einmal hat Calumet den Sensor gereinigt (kostenlos), sonst war nie etwas mit der Kamera. – Viele Jahre war ich Leica-Jünger. Hatte dann aber wegen ständiger Probleme mit den Kameras und den Objektiven und wegen des schlechten Service die Nase voll von dieser Firma und fotografierte dann nur mit Hasselblad. Heute immer noch mit Canon EOS 5D MkII und Habla. – Sorry !
Moin, danke für deinen Erfahrungsbericht. Ich habe die C-Firma nicht erwähnt, weil ich mit ihr noch nie gearbeitet habe. Und ich schreibe nur über die Dinge, die ich selbst erlebt habe. Aber dank deines Beitrags, können sich nun Leser auch über Canon ein Bild machen.