Stereotype sind eine Form von Rassismus. 2017 habe ich mir deswegen Zeit genommen, ein Fotoprojekt umzusetzen, das mir sehr am Herzen liegt. Ich habe Deutsche fotografiert, die nicht unbedingt sofort in das stereotype Bild eines deutschen Aussehens passen und gleichzeitig Nicht-Deutsche, die jeder sofort als solche identifiziert hätte. Ich wollte damit Stereotype aufbrechen, Wahrnehmung hinterfragen und vorschnelle Schlüsse zum Stolpern bringen. Menschen sollten aufgrund ihrer Fähigkeiten geschätzt werden und nicht aufgrund von Aussehen oder gar Papieren.
Auch nerven mich aktuelle politische Strömungen, die das „Deutschsein“ auf einen Pass beschränken, aber nur, wenn es in die eigene beschränkte Sicht passt. Mich nerven auch journalistische Formulierungen wie “südländisches Aussehen”. Dabei habe ich am eigenen Leib erfahren, wie fraglich diese Kategorisierung ist. Schon mein Großvater ist in Deutschland geboren, aber eben ohne deutschen Pass. Das hat sich auf meinen Vater und schlussendlich auf mich übertragen. Ich war bei meiner Geburt Ausländer, kann aber aufgrund meiner Herkunft alle Kölner Karnevalslieder mitsingen – op Kölsch. Wäre ich allerdings zehn Jahre später geboren, hätte ich von Geburt an einen deutschen Pass besessen, weil meine Mutter einen hat.
Ich habe mir deswegen überlegt, wie ich mit meinen Mitteln verdeutlichen kann, was mir zu diesem Thema wichtig ist. In mein kleines Portraitstudio habe ich mir Menschen unterschiedlicher Herkunft eingeladen, die sich nur durch eines unterscheiden: dem Vorhandensein eines deutschen Passes.
Das Projekt hat es mir ermöglicht, sehr viele wunderbare Menschen kennenzulernen und näheres aus ihren Erfahrungen mit dem Alltagsrassismus, von dem ausgerechnet die Menschen berichteten, die einen deutschen Pass haben.
Ich bin sehr traurig, dass es selbst heutzutage notwendig ist, auf diese Form von Ungleichbehandlung hinzuweisen. Gleichzeitig bin ich sehr glücklich, so viele liebe Leute vor meine Linse bekommen zu haben. Danke an alle für’s Mitmachen.
Alle Portraits sind analog auf Fuji Acros 100 mit meiner Hasselblad 503cx mit 180 mm f/4 in meinem Studio fotografiert. Die Bilder wurden im Rahmen der Millerntor Gallery 2017 ausgestellt. Dort verbunden mit dem “Spiel” die zehn Nicht-Deutschen zu finden und ihnen die richtigen Pässe zuzuordnen. Auf Instagram hätte man was gewinnen können, wenn man alle richtig herausgefunden hätte. Allerdings hat niemand mehr als zwei Richtige geraten. Die meisten haben allerdings vor der Wand mit den Portraits gestanden und gleich abgewunken: “Das ist unmöglich und warum soll ich überhaupt Menschen kategorisieren.” Das fand ich eine sehr angenehme Reaktion!